
Normaler Weise reite ich Shigon und nehme Mama Happy als Handpferd. Sie ist zwar auch im Alter noch hitzig, aber sie schickt sich gut, lässt sich prima navigieren von mir und Shigon ist ohnehin ein Engel, den kann man problemlos mit einer Hand reiten. Alle sind von Anbeginn der Zeit auch an Stimmkommandos gewöhnt, hören da sehr schön drauf.
Cordito, der Jüngste, ist ein Draufgänger, wie einst seine Frau Mama. Ruher zwar geworden mit den Jahren und ein ganz schönes Mama-Kind, das jammert, wenn es nur 50 Meter von Mami weg soll. Aber trotzdem - unsere familieninterne Ansage ist immer, dass "die Braunen ein bissken bekloppt sind". Das wären Happy und Cordito.

Ich habe noch immer ein wenig mit Verspannungen im Schulterbereich zu tun, so dass mein Mann gestern großzügig anbot, das Handpferd statt meiner zu nehmen. Ich unkte noch, ob die Braunen das wohl friedlich enden lassen. Doch, doch, es klappte hervorragend, sie heizten sich nicht gegenseitig auf, alles war fein.
Heute wollten wir noch fix das gute Wetter ausnutzen, uns von dem aufkommenden Wind nicht irritieren lassen. Wind ist ja nun für so ein Pferd immer sehr speziell, unsere drei Schätze sind dann immer extrem aufmerksam und meist ein bisschen fitzig. Aber meine Güte, wir kennen die Pferde, die Gegend, es ist strahlender Sonnenschein! Also, los! Kombi wie gestern, mein Mann auf Cordi, Happy als Handpferd, ich auf Shigon als Nachhut, damit keiner verloren geht.

Alles läuft fein, die Braunen sind die Ruhe selbst, nur Shigon hat einen hipsigen Tag erwischt. Er zuckt hier, er zuckt da, signalisiert mit seiner ganzen Körpersprache Mord und Brand.

Irgendwie muss Happy sich erschreckt haben, einen Satz in Richtung Cordi unternommen haben, der das wiederum blöd fand und mal kurz nach seiner Mutter trat. Diese machte einen empörten Satz zur anderen Seite und mein Mann ließ an dieser Stelle die Zügel von ihr los, um nicht selbst runtergezogen zu werden. Soweit die Rekonstruktion später.

Ich habe nur gesehen, dass Happy plötzlich allein läuft, sehr aufgeregt ist und in Richtung Stall eindreht. Absteigen, kurzes Kommando an Shigon "Halt und bleib!", hoffen, dass er sich an diese Lektion noch erinnert (wir haben das locker 1,5-2 Jahre nicht mehr geübt!), der parkt sich wie ein Reiterdenkmal, ich laufe langsam auf Happy zu, hebe die Hand und sage "Haaaaalt!", wie ich es beim Freiarbeiten tue, sie latscht sich noch einmal kurz auf den Zügel, selbiger reißt, sie schnaubt empört und lässt sich von mir greifen.
PUH! Das ist alles in so rasend schneller Geschwindigkeit nebeneinander her geschehen, dass man es in diesem Moment gar nicht kapiert.
Soweit wir sehen konnten, ist bei dem Gezergel keinem der Braunen etwas passiert, der zerrissene Zügel als einziger Verlust ist eine gute Ausbeute, würde ich mal denken.

Shigon ist mein Star des Tages, denn so flatterig er auch manchmal ist, wenn er nur so vor sich hintuppelt, so unglaublich ruhig, zuverlässig und auf den Punkt ist er in einer Notsituation. Das habe ich nicht zum ersten Mal festgestellt, aber heute wieder einmal sehr an ihm bewundert.

Wir sind noch weiter gegangen, mein Mann hat die Braunen dann beide nur noch geführt, weil mit dem zerrissenen Zügel ein Führen als Handpferd nicht möglich war. Shigon und ich sind dann wieder hinter ihnen rumgehüpft. Krise bewältigt, da kann man wieder Faxen machen.

Ich schätze, wir haben ganz viel Glück gehabt! Einmal, dass sich (hoffentlich) keiner verletzt hat, und natürlich dass Mama Happy sich nur im ersten Eifer einige Meter von ihren Kindern entfernt hat. Sie hat hinterher gesagt, sie wäre nicht weggelaufen - aber im ersten Moment sah das nicht so aus.

Beim nächsten Mal nehme ich sie wieder. Shigon ist viel geduldiger mit einem drängelnden Nebenpferd, als Cordi das ist.
