Am Freitag bin ich gegen 17 Uhr nach Hause gekommen. Beim Aussteigen bemerkte ich vor der Garage eine große schwarz-weiße Katze mit so intensiv bernsteinfarbenen Augen, wie ich sie noch nie vorher bei einer Katze gesehen habe. Sie steht genau an der Stelle, wo Paulchen immer auf mich gewartet hatte. Wir kennen alle Katzen in der Gegend, weil wir ja fast täglich spazieren gehen. Aber diese Katze hatte ich noch nie gesehen.
Ich grüße freundlich: "Hallo Katze". Da kommt sie gleich auf mich zu und streicht mir über die Beine. Dann läuft sie VOR mir her zum Gartentor und den Weg entlang zur Haustüre. Dort wartet sie auf mich, genau wie Paulchen es immer gemacht hat. Es ist, als würde sie den Weg kennen.
Als ich aufsperre, ist sie gleich im Haus drin. Sie marschiert ins Esszimmer und gleich auf Paulchens Stuhl zu. Ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, den Stuhl wegzuräumen. Interessiert wird alles beschnuppert.
Da rumpelt es oben auf der Treppe. Kaspar ist aufgestanden und will raus. Ich gehe rauf und trage ihn in den Garten. Die Katze folgt uns interessiert. Kaspar torkelt sofort auf sie zu, da erschrickt sie etwas und faucht vorsichtig, aber nicht aggressiv. Kaspar macht erstmal vor lauter Schreck einen Rückwärtspurzelbaum. Dann bleiben beide im Abstand von ca. 2 Metern liegen und beäugen sich vorsichtig.
Mein Mann kommt nach Haus. "Schau mal!" sage ich, "wir haben einen Interessenten für den freien Platz!" Wir gehen ins Haus, die fremde Katze folgt uns sofort. Sie geht rauf in den ersten Stock, bleibt erstmal am Futterplatz stehen und frisst. Dann geht sie ins Schlafzimmer, ins Büro, ins Wohnzimmer. Alles wird genau betrachtet. Mein Mann öffnet die Tür zum Wintergarten und von dort ins Freie. Aber sie will nicht raus. Sie will dableiben.
Die Katze entdeckt Paulchens Katzenklo und probiert es sofort aus. Kaspar ist jetzt auch da, aber beide Katzen bleiben ruhig. Die fremde Katze fängt an, mit meinem Mann zu spielen und scherzen, genau wie Paulchen immer gespielt hat. Nur ist sie im Gegensatz zu ihm ganz sanft und lässt brav die Krallen drin.
Leider haben wir uns abends mit Freunden verabredet und als wir gehen, tragen wir die Katze mit nach draußen. Als wir mit dem Auto wegfahren, sagt mein Mann auf einmal mit belegter Stimme: "Schau mal zur Gartenmauer!"
Und genau an der Stelle, wo Paulchen immer gesessen ist, sitzt nun die fremde Katze. Als wir aussteigen freut sie sich und gibt Köpfchen, so wie Paul es immer getan hatte. "Wenn du kein Heim hast, darfst du gerne bleiben", flüster ich ihr ins Ohr. "Wir würden uns freuen."
Wir haben uns in der Nachbarschaft erkundigt. Es ist tatsächlich ein Streuner, der niemandem gehört. Und mir ist eingefallen, dass ich ihn doch schon einmal vorher gesehen hatte. Das war vor 14 Tagen, als Paulchen schon sterbenskrank auf der Treppenstufe zum Garten saß. Da war sie auf einmal da und hat ihn die ganze Zeit angesehen.
Leider war er weder Samstag noch Sonntag wieder da. Aber ratet mal, wer heute morgen auf dem Fensterbrett saß und lauthals um Einlass bettelte!
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