27.02.2010
Das Ruhr Museum in der Zeche Zollverein, Essenhttp://www.ruhrmuseum.de/de/museum/ruhrmuseum.jspEin Museum über das Ruhrgebiet? Da muss ich hin! Und so ging es über bereits erwähnten Ruhrschleichweg in Richtung Essen. Nach einiger Rumgurkerei – die Zeche ist NICHT von jeder Himmelsrichtung aus ausgeschildert, übrigens...

- fuhren wir dann um eine Kurve und vor uns erstreckte sich das unglaublich riesige Areal der Zeche Zollverein, überragt vom Förderturm. Für einen Liebhaber von Industriedenkmälern und für den gemeinen Ruhrgebietler ein atemberaubender Anblick!
Danach großes Parkplatzsuchen. Der sich gleich am Anfang befindliche Besucherparkplatz ist eine einzige Katastrophe, eng, unübersichtlich, für einen Sonntag Nachmittag offensichtlich viel zu klein. Besser sieht's aus, wenn man dem kleinen Schotterweg folgt und weiter hinten auf dem Zechengelände parkt. Viel weiter laufen muss man dafür nicht, dieser Parkplatz ist nur etwas schlechter ausgebaut.
Entlang alter Zugschienen geht’s dann zum Eingang des Museums. Hier steht man direkt vor dem Förderturm, legt den Kopf in den Nacken und staunt. Mir geht durch den Kopf, wie viele Menschen hier früher gearbeitet haben müssen und mir wird bewusst, was die Schließung der Zeche nicht nur für die dort arbeitenden Menschen, sondern auch für die Infrastruktur der ganzen Stadt bedeutet haben muss.
Zeit für solche Gedankengänge habe ich genug, denn die Schlange vor dem Eingang ist LANG! Hier ist Geduld angebracht. Wir haben leider den Fehler gemacht, kurz vor einer Führung vor Ort zu sein... Die Leute, die diese Führung gebucht hatten, wurden natürlich vorgelassen und dadurch verzögerte sich der Einlass der anderen Besucher ziemlich. Empfehlenswert wäre hier sicherlich, das Museum an einem Wochentag zu besuchen, ich nehme an dass die Wartezeiten dann kürzer sind.
Aber endlich steht man vor der riesigen Rolltreppe, die einen nach oben in den Eingangsbereich des Museums fährt. Die Rolltreppe ist mit einem Plexiglasdach überdeckt und bietet an ihrem oberen Ende einen grandiosen Ausblick über das Zechengelände und die Stadt.
Oben angekommen dann fix eine Karte (6 Euro – absolut akzeptabel) von einem leicht ergrauten, langhaarigen Altrocker hinter dem Tresen erstanden und ab in die Dauerausstellung (die Sonderausstellung haben wir uns diesmal gespart).
Das Innere dann wirklich ungewohnt: Rohe Betonwände, alte Maschinen, es riecht noch nach Maschinenöl. Dazwischen dann die Ausstellung.
Die Ausstellung ist gegliedert in die drei Hauptbegriffe „Gegenwart“, „Gedächtnis“, „Geschichte“.
Man beginnt bei der „Gegenwart“. Gleiche vorneweg: dieser Teil der Ausstellung hat mir am allerbesten gefallen. Sie besteht überwiegend aus Fotografien, die das Ruhrgebiet in all seinen Facetten zeigen. Ob der typische Sonntag Nachmittag im Schrebergarten (jaaa, auch mit Vadder im Feinrippunterhemd am Grill), die Moschee neben der Kirche, der Schnack am Büdchen umme Ecke, Natur, die sich alte Banhstrecken zurückerorbert – hier ist all das eingefangen, was mich an dieser Region so fasziniert. Man läuft an den Bildwänden vorbei, staunend, lachend, kopfschüttelnd.
Hier gibt es auch ein paar echte Highlights vor allem für Kinder: an einer Ecke kann man über Bodensensoren und darüber angebrachte Lautsprecher eine wahre Kakophonie der für das Ruhrgebiet typischen Geräusche erzeugen: Autobahnlärm, Vogelgezwitscher, rasselnde Güterzüge, Kirchengeläut – schon ziemlich heftig wenn man das mal alles so nah zusammen hört.
Außerdem kann man seine Nase in diverse Geruchsproben stecken. Achtung! Nicht in jedem Fall empfehlenswert!

Diverse Vitrinen ergänzen die Fotoausstellung, gefüllt mit Fanartikeln der hiesigen großen Fußballvereine, aber auch diverse Kirchenschätze sind hier zu bewundern. Klingt chaotisch, passt aber irgendwie alles gut zusammen.
Weiter geht’s in den nächsten Raum. Hier sind die allerunterschiedlichsten Gegenstände ausgestellt. Man kann große und kleine Gesteinsproben begutachten, aber auch – und das hat mir am besten gefallen – von diversen Ruhrgebietsbewohnern gespendete Kleinigkeiten, die aber große Geschichten erzählen. So zum Beispiel eine Armbanduhr, die von einer großen Firma zu großen Betriebsjubiläen verschenkt wurde, zu Kriegszeiten selbst gezimmerte Puppenmöbel, ein Fuchsschwanz wie er in den 80ern an sämtlichen Autoantennen zu finden war – hier lohnt es sich wirklich zu verweilen und die kleinen Notizen in den Vitrinen zu lesen.
Nach diesem Raum geht es dann die Treppen hinab zum nächsten Teil der Ausstellung, „Gedächtnis“. Übrigens eine kleine Anmerkung: das Treppenhaus ist grandios gestaltet. Das Treppengelände ist mit orangefarbenen Leuchtröhren überzogen, und mit ein wenig Phantasie sieht das aus wie glühende Stahbarren. Ruhig mal im Treppenhaus stehen bleiben und den Kopf in den Nacken legen, das sieht echt toll aus!
Aber weiter mit der Ausstellung. In diesem Teil findet man alles zur Vergangenheit des Ruhrgebiets. Hier fing's für mich jetzt an etwas chaotisch zu werden. Ok, mag auch daran gelegen haben, dass prähistorische Knochen jetzt nicht ganz so mein Interessengebiet sind. Auch was ausgestopfte Tiere da zu suchen hatten, hat sich mir nicht ganz so erschlossen. Aber ok, war nett anzusehen. Weiter geht’s dann mit diversen alten Handelskarten (sehr interessant wie klein manche der heutigen Metropolen früher waren), Stadtsiegeln, Gemälden von bedeuteten Industriellen. Auch recht interessant, aber irgendwie ist mir das alles nicht so sehr im Gedächtnis haften geblieben.
Wieder eine Treppe abwärts geht’s in einen wirklich vollgestopften Ausstellungsraum, zur „Geschichte“. Hier ist wirklich ALLES ausgestellt, was das Ruhrgebiet geprägt hat. Alte Ackergeräte, Waffen aus der Zeit der französischen Besatzung. Weiter geht’s mit Gegenständen aus dem Industriezeitalter, bald ist man auch bei den Weltkriegen angelangt. Plakate und Postkarten zeugen von der Zeit des Nationalsozialismus, wieder andere vom Wirtschaftsaufschwung.
Dieser Bereich ist einfach nur GROß. Mir war das zu dem Zeitpunkt alles schon etwas zu viel, wir hätten zwischen den verschiedenen Ausstellungen auch einfach mal eine Pause machen sollen. Somit habe ich, glaube ich, gar nicht alles mitbekommen, was dort ausgestellt war. Ich war dann auch ganz froh, als wir zu Fuß wieder die Treppen nach oben erklommen hatten und dann irgendwann wieder an der frischen Luft waren.
Fazit:
Viel Zeit mitbringen! Wir haben alleine im Museum drei Stunden verbracht, die Wartezeit vor dem Eingang nicht mitgerechnet.
Es gibt wirklich enorm viel zu sehen. Wir haben beschlossen, auf jeden Fall ein zweites Mal hinzufahren, um auch die Teile der Ausstellung zu sehen, die wir nachher gar nicht mehr aufnehmen konnten.
Wie interessant das Museum für „Auswärtige“ist, kann ich nicht beurteilen. Für mich als Ruhrgebietler war es auf jeden Fall ein lohnender Besuch, da man hier vor allem auch viele Geschichten am Rande erzählt bekommt. Die Aufmachung des Museums scheint zunächst ungewohnt, chaotisch. Das hier ist keine geordnete Ausstellung wie man sie aus klassischen Museen kennt, sondern man wird dazu eingeladen, umherzustreifen, überall etwas Neues zu entdecken... Das ging sogar soweit, dass wir uns alle kurzzeitig in einem einzigen Raum völlig aus den Augen verloren haben... Nicht das Handy vergessen!

Mich würde auf jeden Fall interessieren, was Nicht-Ruhrgebietler zu diesem Museum sagen, vielleicht hat ja eine von euch jetzt schon etwas Lust auf einen Besuch in der Kulturhauptstadt bekommen.
