Seite 1 von 2

Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 17:12
von Tigo
Wir haben mit unseren Pferden ja immer das "Problem", dass wir nur zwei Reiterhintern aber drei Pferde haben. Da unsere Pferdefamilie sehr aufeinander eingeschworen ist, nehmen wir sie meist alle drei mit. Unser Reitgebiet ist einsam, es geht direkt vom Stall weg auf Feldwegen und Wiesen daher, kein Autoverkehr (bis auf gelegentlich mal faule Jäger, die bis zum Hochsitz natürlich fahren müssen), wenig Fußgänger, kaum andere Reiter, aber jede Menge Wildtiere natürlich. :)

Normaler Weise reite ich Shigon und nehme Mama Happy als Handpferd. Sie ist zwar auch im Alter noch hitzig, aber sie schickt sich gut, lässt sich prima navigieren von mir und Shigon ist ohnehin ein Engel, den kann man problemlos mit einer Hand reiten. Alle sind von Anbeginn der Zeit auch an Stimmkommandos gewöhnt, hören da sehr schön drauf.

Cordito, der Jüngste, ist ein Draufgänger, wie einst seine Frau Mama. Ruher zwar geworden mit den Jahren und ein ganz schönes Mama-Kind, das jammert, wenn es nur 50 Meter von Mami weg soll. Aber trotzdem - unsere familieninterne Ansage ist immer, dass "die Braunen ein bissken bekloppt sind". Das wären Happy und Cordito. ;)

Ich habe noch immer ein wenig mit Verspannungen im Schulterbereich zu tun, so dass mein Mann gestern großzügig anbot, das Handpferd statt meiner zu nehmen. Ich unkte noch, ob die Braunen das wohl friedlich enden lassen. Doch, doch, es klappte hervorragend, sie heizten sich nicht gegenseitig auf, alles war fein.

Heute wollten wir noch fix das gute Wetter ausnutzen, uns von dem aufkommenden Wind nicht irritieren lassen. Wind ist ja nun für so ein Pferd immer sehr speziell, unsere drei Schätze sind dann immer extrem aufmerksam und meist ein bisschen fitzig. Aber meine Güte, wir kennen die Pferde, die Gegend, es ist strahlender Sonnenschein! Also, los! Kombi wie gestern, mein Mann auf Cordi, Happy als Handpferd, ich auf Shigon als Nachhut, damit keiner verloren geht. :)

Alles läuft fein, die Braunen sind die Ruhe selbst, nur Shigon hat einen hipsigen Tag erwischt. Er zuckt hier, er zuckt da, signalisiert mit seiner ganzen Körpersprache Mord und Brand. :roll: 15 Minuten vom Stall entfernt geht es eine Hangkoppel runter, die dieser Tage natürlich feucht und ein wenig rutschig ist. Weil ich so konzentriert auf mein Pferd war, habe ich gar nicht so richtig mitgekriegt, was sich da so halb vor/neben mir abspielte.

Irgendwie muss Happy sich erschreckt haben, einen Satz in Richtung Cordi unternommen haben, der das wiederum blöd fand und mal kurz nach seiner Mutter trat. Diese machte einen empörten Satz zur anderen Seite und mein Mann ließ an dieser Stelle die Zügel von ihr los, um nicht selbst runtergezogen zu werden. Soweit die Rekonstruktion später. ;)

Ich habe nur gesehen, dass Happy plötzlich allein läuft, sehr aufgeregt ist und in Richtung Stall eindreht. Absteigen, kurzes Kommando an Shigon "Halt und bleib!", hoffen, dass er sich an diese Lektion noch erinnert (wir haben das locker 1,5-2 Jahre nicht mehr geübt!), der parkt sich wie ein Reiterdenkmal, ich laufe langsam auf Happy zu, hebe die Hand und sage "Haaaaalt!", wie ich es beim Freiarbeiten tue, sie latscht sich noch einmal kurz auf den Zügel, selbiger reißt, sie schnaubt empört und lässt sich von mir greifen.

PUH! Das ist alles in so rasend schneller Geschwindigkeit nebeneinander her geschehen, dass man es in diesem Moment gar nicht kapiert.

Soweit wir sehen konnten, ist bei dem Gezergel keinem der Braunen etwas passiert, der zerrissene Zügel als einziger Verlust ist eine gute Ausbeute, würde ich mal denken. ;)

Shigon ist mein Star des Tages, denn so flatterig er auch manchmal ist, wenn er nur so vor sich hintuppelt, so unglaublich ruhig, zuverlässig und auf den Punkt ist er in einer Notsituation. Das habe ich nicht zum ersten Mal festgestellt, aber heute wieder einmal sehr an ihm bewundert. :)

Wir sind noch weiter gegangen, mein Mann hat die Braunen dann beide nur noch geführt, weil mit dem zerrissenen Zügel ein Führen als Handpferd nicht möglich war. Shigon und ich sind dann wieder hinter ihnen rumgehüpft. Krise bewältigt, da kann man wieder Faxen machen. ;)

Ich schätze, wir haben ganz viel Glück gehabt! Einmal, dass sich (hoffentlich) keiner verletzt hat, und natürlich dass Mama Happy sich nur im ersten Eifer einige Meter von ihren Kindern entfernt hat. Sie hat hinterher gesagt, sie wäre nicht weggelaufen - aber im ersten Moment sah das nicht so aus. ;)

Beim nächsten Mal nehme ich sie wieder. Shigon ist viel geduldiger mit einem drängelnden Nebenpferd, als Cordi das ist. :)

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 18:09
von Katzenmama
Tigo, das zeigt aber auch, welche enge Bindung du/ihr zu euren Pferden habt. Schön. so etwas zu lesen.
LG

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 18:25
von Tigo
Katzenmama, ja, das ist wohl so. Happy ist 27 und hat 25 Jahre davon mit uns verbracht, die Jungs sind beide schon bei uns geboren. Selbst mein Mann ist ja nun schon bald 12 Jahre "dabei". Da weiß man eigentlich, was man voneinander zu halten hat. ;)

Ich arbeite viel mit ihnen am Boden, wir gehen oft mit ihnen spazieren. Und wir werden dafür immer belächelt. Wir sind ja keine richtigen Reiter, weil wir so viel Zeugs mit dem Getier machen. Ja, vielleicht macht es keinen besonderen Sinn, einem Pferd das "Bleib" beizubringen, wie einem Hund. Aber wir haben es halt mal eine Weile geübt, nur für Spaß - er musste allein stehen bleiben, während ich ein Tor/einen Zaun öffne. Und in Situationen wie der heute denke ich mir, dass das schon alles seinen Sinn hat. ;)

Mir ist eine lustige Anekdote von früher eingefallen, von wegen "Unsinn beibringen". Als Shigon noch aktives Rennpferd war, sind wir zum Ausgleich immer mal zwischendurch in einem kleinen Waldstück neben dem alten Stall rumgefegt, das konnte ich immer auch unter der Woche erreichen, wenn keine Zeit für große Runden war. Nachteil dabei war, dass diesen Reitweg immer wieder Fußgängerwege kreuzen. Und wir natürlich im Renntrab SEHR schnell unterwegs waren. Ich konnte die Wege von oben gut einsehen, aber meine Sorge war immer, dass Shigon mich mal absetzt und dann losstürzt und mit einem Fußgänger oder Radler kollidiert. Also habe ich ihm beigebracht, an diesen Wegkreuzungen anzuhalten. Mein Spruch war "Anhalten, rechts gucken, links gucken, kommt keiner? Dann können wir gehen!".

Ich zog weg, Shigon blieb im ersten Jahr noch daheim. Meine Mutter schnappte ihn ihn sich eines Tages, um in diesem Wäldchen eine Runde zu drehen. Sie rief mich später an. "Shigon hat irgendwie eine Macke!! Der ist an jeder verdammten Weggabelung stehen geblieben und hat nach rechts und links geguckt wie ein Schulkind, bevor der über den Weg gegangen ist!!". Ich habe nur gesagt "Mum, gelernt ist gelernt!". ;)

Er macht es heute noch, an jeder Straßenkreuzung. Er könnte I-Dötzchen einweisen. :D

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 18:29
von Manu_68
:lol: Steht ihm orange? (Schülerlotsen-Westen-Farbe ;) )

Die Geschichte(n) ist/sind :) .

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 18:34
von Tigo
Manu, er ist ja pechschwarz, da sieht orange sicherlich extrem schick aus. ;)

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 18:46
von Walpurga
Cooles Pferd.

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 20:46
von She65
Es ist gut, dass es so ausgegangen ist, Tigo. *aufatmet*

Am meisten freut mich zu lesen, dass Du wieder mit den Tieren unterwegs bist. :] Sie haben solange darauf warten müssen, darauf gerne gewartet. Deshalb wäre es zum Erschüttern gewesen, wenn etwas Schlimmes passiert wäre.

Sicherlich war hier auch Glück im Spiel, doch Eure Tiere wissen auch, dass sie sich auch im Ernstfall auf ihre Menschen verlassen können. Das nennt man Vertrauen. Oder auch auch anders, noch mehr. ;)

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 20:58
von Averna
Tiere sind einfach die besseren Menschen ...

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 29. Dezember 2011, 22:30
von Tigo
She65 hat geschrieben:Am meisten freut mich zu lesen, dass Du wieder mit den Tieren unterwegs bist. :] Sie haben solange darauf warten müssen, darauf gerne gewartet. Deshalb wäre es zum Erschüttern gewesen, wenn etwas Schlimmes passiert wäre.


Ja, doch, schon eine ganze Weile wieder, so ca. seit Anfang November. Ich hatte dann nochmal auf Grund von schlimmen Rückenproblemen 2 Wochen komplett aussetzen müssen. Aber insgesamt ist mein Vertrauen in sie und mich selbst im Moment immens. :)

Es hat eine Menge mit Vertrauen zu tun. Zumal sowohl Happy als auch Shigon ja auf jeweils einem Auge blind sind. Und es ist unglaublich schön zu sehen, wie sie mit ihren jeweils blinden Seiten nebeneinander laufen, sich wirklich "blind" darauf verlassen, dass der andere schon mit aufpasst. Und ich natürlich, wobei mich beide immre wieder belehren, dass ich ja so entsetzlich unterentwickelte Sinne habe, dass ich nicht WIRKLICH aufpassen kann. ;)

Re: Das kann man wohl "Glück gehabt" nennen

BeitragVerfasst: 30. Dezember 2011, 08:59
von SophieS
Gsd haben die doch eine gute Erziehung genossen und erinnern sich im passenden Moment dran :)