
Wir haben monatelang behandelt, jede Möglichkeit scheinbar ausgeschöpft, homöopathisch, naturheilkundlich, auch schulmedizinisch, allerdings immer unter dem Aspekt seiner Verhaltensstörung, die er aufgrund des ewigen Kampfes mit dem Mitbewohner Angelino (Kater unserer Mieterin) hier hatte. Mittlerweile haben die Kämpfe aufgehört, weil sich der Mitbewohnerkater sein Revier außerhalb unseres Gartens samt Innenhof gesucht hat, doch Justin leckte und biss sich wie ein Weltmeister. So sah er dann auch aus, kahl am gesamten Hinterteil, blutige Wunden vor allem dort, doch auch am Hals oder an den Pfötchen.

Unsere Abende sahen so aus, dass nach dem Nachhausekommen erstmal "Justin zur Ruhe bringen" auf dem Programm stand, damit er einigermaßen ohne diese selbstzerstörerischen Anwandlungen in den Schlaf kommt. Oft war es spät, bis er schlief, entweder hatte ich ihn auf dem Schoß oder in meinem Arm, sobald ich ihn verließ, begann das Kratzen, Lecken und Beißen wieder. Es ging an die Grenzen oftmals, ein normales Familienleben war kaum möglich. Morgens war es das gleiche Bild, es verging kein Tag, an dem wir nicht voller Sorge zur Arbeit gingen.
Dabei war die Lösung so nah, doch wir hatten sie mittlerweile aus den Augen verloren. Stundenlange Recherchen im Internet nach "Lecken, Beißen etc." deuteten immer wieder auf eine Verhaltensstörung hin, die wir ja erfolglos behandelten seit Monaten. Bis ich auf einen Artikel mit Fotos stieß, Wunden, die mir so bekannt vorkamen. Die Untersuchungen begannen am nächsten Tag, Justin war wie immer friedlich und sehr bereitwillig, weil er am meisten unter der Situation litt. Er hat eine inzwischen akute Flohallergie, obwohl er keine Flöhe selbst hat. Der Kontakt zu Tieren, die diese Parasiten beherbergen, eine Umgebung, in der sie leben und auch Nachfahren zeugen, reicht vollkommen aus. Als Allergiker ohnehin ist er prädestiniert dafür.
Inzwischen sind alle Tiere geimpft, die Umgebung völlig gereinigt, alle Plätze, Schlafstätten, Decken etc. entfernt und ersetzt, so dass hier keine Gefahr mehr droht.
Ich habe Tränen in den Augen, jeden Tag neues Fellwachstum bei Justin festzustellen, ein zarter Flaum, der täglich ein bisschen dichter wird. Er leckt sich immer noch, wenn er angespannt ist, wenn es z. B. nah der Fütterungszeit ist. Doch es ist deutlich weniger geworden, weil der ständige Juckreiz fehlt, weil das auslösende Element nicht mehr vorhanden ist. Wenn er abends oder morgens auf dem Sims vor dem Fenster sitzt und ruhig nach draußen schaut, dann gebe ich ihm oft einen Kuss auf den Kopf, sage ihm, wie schön der Anblick für mich ist. Er quittiert es mit einem "Uähhh", ein "ich bin auch glücklich", der kleine Schwerenöter. *herzt*
Mir macht sehr zu schaffen, dass es mir nicht gelungen ist, eher eine Diagnose zu bekommen, weil ich die Möglichkeit einer allergischen Erkrankung nicht in Erwägung gezogen habe. Das hätte ich doch fühlen sollen bei meinem Tier, das mir so verbunden ist wie der Nöhrmann. Dafür, dass wir es am Ende nach einer Odyssee doch noch fanden, danke ich.
So gut soll es nun weitergehen, uns Allen.
